Eine freie Nasenatmung ist für unser körperliches Wohlbefinden unerlässlich, da die einströmende Atemluft von den Nasenschleimhäuten gereinigt, befeuchtet und erwärmt wird. Eine gesunde, funktionierende Einheit von Nase und Nasennebenhöhlen ist dazu nötig. Bis zu 10% der Bevölkerung entwickelter Länder leidet unter einer chronischen Entzündung in diesem Bereich, sodass diese häufige Erkrankung einen großen Einfluss auf die Durchschnittsgesundheit hat. Vergleichsweise selten treten dagegen Tumore der Nebenhöhlen und Schädelbasis auf, deren spezialisierte Behandlung eine Schwerpunktversorgung mit Zentrumsbildung erfordert.
Beim Kleinkind sind es meist die so genannten „Polypen“, richtigerweise die über die Norm vergrößerte dritte Mandel (Rachenmandel), die hinter der Nase am Rachendach sitzt. Im Kleinkindesalter kommt es häufig zu einer Vergrößerung der Rachenmandel, was aber nur bei einem Teil der kleinen Patient/-innen Beschwerden verursacht. Behandelt werden sollte eine vergrößerte Rachenmandel bei Dauerschnupfen, Atemproblemen, wiederkehrenden Mittelohrentzündungen, Sprachentwicklungsverzögerung, Schwerhörigkeit oder Schnarchen. Ähnlich wie bei wiederkehrenden Entzündungen der Gaumenmandeln ist die Operation eine Möglichkeit. Sie ist eine der häufigsten Operationen im Kindesalter und wird, wenn medizinisch nichts dagegenspricht, auch tagesklinisch durchgeführt.
Beim Erwachsenen stehen andere Ursachen für eine erschwerte Nasenatmung im Vordergrund: die Verkrümmung der Nasenscheidewand und die chronische Nasennebenhöhlenentzündung.
Eine verkrümmte Nasenscheidewand kann eine ein- oder beidseitige Behinderung der Nasenatmung verursachen. In der Behandlung steht die operative Korrektur (sogenannte funktionelle Septumplastik) im Vordergrund.
Nasenpolypen im medizinischen Sinne sind richtigerweise nicht die im Volksmund so bezeichnete Vergrößerung der Rachenmandel, sondern entzündlich bedingte Veränderungen der Nasen- und Nasennebenhöhlenschleimhaut, welche bei vielen Patient/-innen chronische Entzündungen verursachen. Dabei kommt es zu Aussackungen, mikroskopischen Veränderungen und Verdickungen der Schleimhaut, welche die Luftwege blockieren und die Entzündung unterhalten. Unterschied man früher lediglich zwischen den Hauptgruppen einer chronischen Nebenhöhlenentzündung MIT und OHNE Polypen, wird durch den Fortschritt in der medizinischen Forschung heute eine Vielzahl an Unterformen definiert, welche unterschiedlich charakterisiert sind und verschieden behandelt werden.
Ein normaler Schnupfen dauert ein bis zwei Wochen. Am Beginn des Schnupfens mit anfänglich wässrigem Sekret wird dieses in der Folge oft zäh-schleimig und zum Schluss häufig auch eitrig. Wenn aber ein erhebliches Druckgefühl über den Nebenhöhlen, eine stärkere Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, eitriges und bevorzugt rückwärts über den Nasenrachen abrinnendes Sekret, Fieber und Kopfschmerzen hinzukommen, so besteht der Verdacht auf eine Nasennebenhöhlenentzündung. Auch diese heilt in der Mehrzahl der Fälle mit Hausmitteln und einfachen medikamentösen Maßnahmen problemlos, kann jedoch auch zu bedrohlichen Folgeerkrankungen mit Notwendigkeit intensiver, auch operativer, Therapie führen.
Das Nasennebenhöhlensystem zeichnet sich durch eine komplexe und variable Anatomie mit unmittelbarer Nähe zur Augenhöhle, Schädelbasis und Riechorgan aus. Bei chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen (entsprechende Symptome wie verstopfte Nase, Riechproblemen, Sekretion und Druckschmerzen sowie Husten bei Kindern für mindestens drei Monate) wird heutzutage eine Computertomographie in Niedrigdosis-Technik durchgeführt. Ergänzend zu körperlichen Untersuchung inklusive Endoskopie helfen diese Bilder die Problemzonen und die individuelle Anatomie zu beurteilen und zu entscheiden, welche Therapie zur Anwendung kommt. In einer ambulanten Begutachtung werden die Befundlage und die empfohlene Behandlung ausführlich besprochen sowie etwaige Alternativen erörtert. Ist eine operative Therapie erforderlich, so werden durch ein schonendes und minimalinvasives Verfahren die erkrankten Nasennebenhöhlen von innen durch eine kameragestützte „transnasale“ (durch die Nasenlöcher durchgeführte) Operation erreicht und verändertes Gewebe entfernt. Dies führt zu einer geringen Belastung der Patient/-innen sowie einer schnellen postoperativen Erholung ohne kosmetisch störende Narben im Gesicht. Diese OP-Technik ist „state of the art“ und wird in ständiger Weiterentwicklung bei folgenden Erkrankungen eingesetzt: chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen, Pilzinfektionen, gutartige Tumoren sowie bösartige Tumoren. Bei Bedarf kann ein sogenannter „erweiterter Zugang“ verwendet werden, bei dem ansonsten schwer erreichbare Regionen operiert werden können. Auch eine vierhändige Technik, also das gemeinsame Operieren zu zweit, ist möglich und für spezielle Operationen und in der Lehre hilfreich.
Am Kepler Universitätsklinikum steht zusätzlich ein Navigationssystem zur Verfügung, welches die Operateurin bzw. den Operateur während der OP durch ergänzende Informationen in der Orientierung unterstützt. Dies führt zu einer erhöhten Patient/-innensicherheit und besseren Ausbildung junger Kolleg/-innen, auch kann es in einigen Situationen die Operationszeit verkürzen.
An der Klinik für Hals,- Nasen- und Ohrenheilkunde am Kepler Universitätsklinikums wurde ein Nasennebenhöhlenkonzept mit aktuellsten medizinischen Therapiestandards erstellt. Hier werden bewährte Konzepte, wie eine medikamentöse Behandlung, mit neuesten operativen Techniken und neuen medikamentösen Ansätzen kombiniert. Regelmäßig wird der routinemäßige Einsatz von Substanzen und Techniken mit internationalen Empfehlungen abgeglichen. Um die Kompetenz in diesem sich rasch entwickelnden Teilbereich der Medizin zu bündeln, wurde 2021 die Nasennebenhöhlen-Spezialambulanz („NNH-Sprechstunde“) gegründet. Darüber hinaus wurde das vorhandene Instrumentarium im OP modernisiert und erweitert sowie ein neues Navigationsgerät erworben, mit dem es noch besser und einfacher möglich ist, während der Operation computergestützt, die richtige Orientierung zu überprüfen. Zur Ausbildung junger Kolleg/-innen kann nun unter anderem auch ein 3D-Modell zur Orientierung im Raum verwendet werden. Im Rahmen des Ausbildungskonzepts werden strukturiert Fortbildungen im In- und Ausland besucht.
Die Kompetenz im Bereich der Erkrankung gutartiger und bösartiger Erkrankungen wird in einer Nasennebenhöhlensprechstunde gebündelt, von der Erstvorstellung bis zur letzten Nachkontrolle, wobei die/der Zuweiser/-in zeitnah über Therapieentscheidungen informiert und in die Behandlung eingebunden wird. Auch die Abklärung, ob Patient/-innen für neuartige Antikörpertherapien in Frage kommen, sowie ggf. die Erstgaben, die Einschulung für die Selbstverabreichung und die Abwicklung der Genehmigungsverfahren bei der Krankenkasse werden so gemanagt. Bei Bedarf erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit den Spezialist/-innen der Pneumologie (viele Patient/-innen mit Nebenhöhlenerkrankungen haben auch Lungenprobleme), mit der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und anderen Behandlungspartnern. Die Nasennebenhöhlensprechstunde fungiert somit als zentraler Knoten- und Koordinationspunkt für Patient/-innen mit Nebenhöhlenproblemen.
Prim. Dr. Paul Zwittag und OA Dr. Johannes Hochstöger, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, sind von diesem Konzept überzeugt:
Ein Expert/-innenteam zur Behandlung von Nasennebenhöhlenerkrankungen, sowohl konservativ als auch operativ, kann besser und individueller auf die jeweiligen Bedürfnisse der Patient/-innen eingehen. Daher freut es mich sehr, dass das Angebot von den Patient/-innen sehr gut angenommen wird.
Prim. Dr. Paul Zwittag
Wir haben schon in vielen Teilbereichen der Medizin aus gutem Grund einen Trend zur Spezialisierung. Einerseits ist die chirurgische Therapie komplex und es gibt eine Lernkurve, andererseits wurden in den letzten Jahren auch bei der medikamentösen Behandlung echte Fortschritte gemacht, welche vom Behandler vertiefte Kenntnisse verlangen. Daher haben wir entschieden, dieser Entwicklung mit einem integrativen Konzept und einer eigenen Spezialambulanz Rechnung zu tragen. Mein Gefühl ist, dass dies sowohl zuweisende Kolleg/-innen, als auch Patient/-innen positiv sehen.
OA Dr. Johannes Hochstöger
Der ganzheitlichen Betrachtung der Atemwegsgesundheit wird in diesem Konzept ein großer Stellenwert eingeräumt - besonders auch im Zusammenhang mit pulmonalen Erkrankungen. Bei Bedarf wird auch ein Allergietest durchgeführt. Häufige Inhalationsallergene, also wichtige Allergie auslösende Fremdstoffe, die eingeatmet werden, werden so als Auslöser identifiziert. Daher besteht auch eine enge Verzahnung der Nasennebenhöhlensprechstunde mit der allergologischen Spezialambulanz, in der allergische Erkrankungen diagnostiziert werden und eine individuelle Behandlungsstrategie festgelegt wird. Die enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit der Dermatologie und der Pulmologie im Rahmen des Allergie Zentrums ermöglicht oberösterreichweit einzigartig eine ganzheitliche allergologische Diagnostik und Therapie.
Zur Diagnosefindung gehören: ein ausführliches Gespräch, HNO-ärztliche Untersuchung inklusive Nasenendoskopie, sowie bei Bedarf weiterführende Untersuchungen wie Rhinomanometrie, nasaler Provokationstest, ein Hauttest (Prick-Test) sowie Blutuntersuchungen.
Therapiemöglichkeiten sind:
Im Rahmen des Allergie Zentrums bieten HNO und Pneumologie ihre gemeinsame und gut abgestimmte Unterstützung an, da obere und untere Atemwege häufig ähnliche Reaktionen zeigen und Entzündungen und Irritationen des einen Abschnitts meist auch den jeweils anderen Teil der Atemwege beeinflussen.
Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht, Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin 4 - Pneumologie
Von Seite der Pathologie fließen über die histologische Bearbeitung bei der Operation gewonnenen Materials entscheidende Informationen ein. Zuerst steht natürlich der Ausschluss oder die genauere Einordnung einer bösartigen Erkrankung im Vordergrund, aber auch im Bereich der chronischen Entzündungen liefert die Histologie oft wertvolle Zusatzinformationen, welche die Therapie beeinflussen und somit den Patient/-innen helfen können. Nicht zuletzt die laufende Forschung in diesem Bereich ermöglichte erst die Entwicklung der verfügbaren Antikörpertherapie, welche für einen Teil der Patient/-innen eine wertvolle Alternative zu den bisherigen therapeutischen Möglichkeiten darstellt. Eine enge Kooperation zwischen Operateur und klinischem Pathologen ist daher unerlässlich
Wie in allen klinischen Disziplinen, so ist auch im Bereich der HNO-Medizin eine zunehmend differenziertere histomorphologische Befundung nicht nur bei Tumorerkrankungen, sondern auch bei entzündlichen Veränderungen notwendig. Eine solche liefert unseren klinischen Kolleg/-innen wertvolle Informationen, die je nach Situation auch weit über die reine Artdiagnose hinausgehen können. Falls durch zusätzliche Informationen, die im histopathologischen Befund enthalten sind, der Erfolg oder Misserfolg einer geplanten spezifischen Therapie vorhergesagt werden kann, hat auch dies – neben der eigentlichen Diagnose – unmittelbare Auswirkungen auf die Wahl der am besten geeigneten Therapie.
Univ.-Prof. Rupert Langer, Vorstand des Klinischen Instituts für Pathologie und Molekularpathologie
Gänzlich anders sind aufgrund ihrer Seltenheit und Vielfältigkeit gut- und bösartige Tumore der Nebenhöhlen und Schädelbasis einzuordnen. Diese Erkrankungen verlangen aufgrund der hochspezialisierten operativen Therapie ein gemeinsames „interdisziplinäres“ Wirken mehrerer Fachdisziplinen. Hier leistet die HNO-Klinik am Neuromed Campus, wo sich die größte neurochirurgische Abteilung Österreichs, ihren Beitrag als kompetenter Behandlungspartner minimalinvasiver Eingriffe. Durch den Zugang durch die Nase kann ein Großteil der Tumore der vorderen Schädelbasis operiert werden. Dabei wird in der Regel durch den HNO-Arzt/Ärztin der Zugang zum Tumor hergestellt, in der Folge assistieren die HNO-Expert/-innen der/m Neurochirurgin/en. Betrifft der Prozess die Nasennebenhöhlen mit, ist die Entfernung ebenso die Aufgabe des HNO-Arztes/ Ärztin. In dieser Form werden am Kepler Uniklinikum zwischen 50 und 100 interdisziplinäre Eingriffe pro Jahr durchgeführt. Wann immer möglich wird dabei transnasal (durch die Nase und Nasennebenhöhlen), also ohne Eröffnen des Schädelknochens von außen, vorgegangen.
Neben der Vermeidung kosmetisch störender Narben zeichnet sich diese kameragestützte Technik vor allem durch ein wesentlich geringeres Maß an Schmerzen und Nebenwirkungen sowie ein höheres Wohlbefinden postoperativ und eine kürzere Krankenhausaufenthaltsdauer aus. Da wir in der endoskopischen Technik aufgrund der großen Patient/-innenzahl mit Nebenhöhlenoperationen über viel Erfahrung verfügen, ist das sozusagen vertrautes Terrain und wir können hier einen wertvollen Beitrag leisten.
OA Dr. Johannes Hochstöger