Kinder mit der Diagnose Hörstörung können sehr von einem Cochlea-Implantat profitieren. Je vertrauter und sicherer sie im Umgang mit dem Hilfsmittel sind, umso größer ist auch das Erfolgserlebnis. Gemeinsam mit dem Kepler Universitätsklinikum entwickelte die Kinder- und Jugendreha kokon in Rohrbach-Berg deshalb einen Reha-Schwerpunkt für junge Menschen mit Cochlea-Implantat.
Für die Sprachentwicklung ist ein intaktes Hörvermögen unabdingbar. Nach dem Einsetzen eines Cochlea-Implantats, was ab dem ersten Lebensjahr möglich ist, sollte die Reha idealerweise einige Monate nach der Implantation beginnen. Denn die jungen Patientinnen und Patienten haben viele neue Höreindrücke zu verarbeiten, sie müssen trainieren, wie sie mit dem Implantat am besten umgehen, und Schritt für Schritt lernen, dieses selbstverständlich in den Alltag zu integrieren.
Die neu entwickelte Reha zählt zur Indikation der neurologischen Erkrankungen und dauert vier Wochen. Während dieser unterstützen die kokon-Expertinnen/Experten die jungen Menschen mit gezieltem Hörtraining und audioverbaler Therapie in ihrem Hör- und Sprachvermögen und begleiten sie auf ihrem Weg in ein Leben voller neuer Eindrücke. Dafür holen sie die Kinder und Jugendlichen an deren sprachlichem Entwicklungsstand ab und arbeiten mit ihnen in Einzel- und Gruppentherapien. Die Cochlea-Reha hat einen logopädischen Schwerpunkt, beinhaltet aber auch Ergotherapie, Physiotherapie und Musiktherapie, Psychologie und vieles mehr. Dazu gibt es Angebote wie die hauseigene Heilstättenschule, Kleinkinderbetreuung, Sozialarbeit und Freizeitbegleitung. Auch die Eltern profitieren sehr, etwa von den technischen Schulungen für sie und ihr Kind gemeinsam mit dem Hörakustiker. Zudem können sie Kraft sammeln und die Fortschritte ihres Kindes unmittelbar miterleben.
„Durch unsere Kompetenz und Flexibilität sowie die breite Schwerpunktsetzung konnten wir auf den Bedarf im Bereich Cochlea-Implantate reagieren und dieses weitere Angebot entwickeln. Die multiprofessionelle Zusammenarbeit und unser stets ganzheitlicher Zugang haben den zusätzlichen Vorteil, dass wir auch auf individuelle Wünsche und Bedürfnisse optimal eingehen und sogar auf besondere Herausforderungen durch mehrfache Beeinträchtigungen oder komplexe Störungsbilder reagieren können“, sagt Prim. Dr. Robert Weinzettel, Ärztlicher Direktor im kokon Rohrbach-Berg.
Prim. Dr. Paul Zwittag, MBA MSc, Vorstand der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum, unterstützt den kokon-Schwerpunkt seit Beginn und findet sowohl den sehr kindgerechten Zugang als auch das Zusammensein mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten ganz wesentlich: „Kinder lernen nicht nur durch spielerisches Verhalten sehr gut, sondern auch im Umgang mit anderen Kindern“, weiß er. Um den Reha-Erfolg weiter zu untermauern, wird diese auch wissenschaftlich begleitet. „Wir wissen, dass ein intensiviertes Training bei Erwachsenen den Umgang mit dem Implantat noch einmal sehr verbessert. Bei Kindern haben wir die Hypothese, dass das Reha-Programm sogar noch stärker wirkt, weil sie schneller lernen“, sagt Prim. Dr. Paul Zwittag. Und obwohl für ein optimales Ergebnis empfohlen wird, mit der Reha einige Monate nach dem Eingriff zu beginnen, kann diese auch bei älteren Kindern und Jugendlichen, die das Implantat schon länger tragen, noch sehr viel bewirken. Zum Beispiel beim Sprachverständnis oder bei Anpassungen für die Sportausübung.
Gesundheitslandesräting, LHStv.in Mag.a Christine Haberlander ist das Reha-Angebot von kokon für schwerkranke Kinder und Jugendliche ein besonderes Anliegen: „Kinder mit Hörstörungen brauchen die beste Behandlung sowohl bei der Versorgung mit modernsten Hilfsmitteln und Operationsmethoden als auch in der anschließenden Weiterbetreuung – ein kindgerechtes Reha-Angebot ist ein enormer Schritt in Richtung Lebensqualität, hier können sich betroffene Kinder mit Ihren Eltern ganz auf Ihre Bedürfnisse konzentrieren.“
Hörimplantate können immer dann, wenn Hörgeräte nicht mehr helfen, eine Lösung sein. Ein Hörimplantat ist ein technisches Hilfsmittel, das den Hörsinn elektronisch unterstützt oder ersetzt. Ein bis zwei von 1000 Neugeborenen kommen mit einer Hörbeeinträchtigung zur Welt. Die wohl gravierendste Art der Schwerhörigkeit ist die hochgradige Innenohrschwerhörigkeit. Bei dieser ist eine Versorgung mit herkömmlichen Hörgeräten nicht mehr ausreichend.
„Das Implantat wird unter Vollnarkose direkt hinter dem Ohr eingesetzt. Die Patientinnen und Patienten brauchen meist nur eine kurze Erholungsphase und können drei Tage nach der Operation die Klinik verlassen. Für die Implantation ist lediglich ein kleiner Hautschnitt in einer Länge von bis zu fünf Zentimetern hinter dem Ohr notwendig“, erklärt der Spezialist Prim. Dr. Paul Martin Zwittag, MBA, MSc, Vorstand der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum.
Hörimplantate bestehen aus zwei Teilen, einem externen Audioprozessor und dem Implantat selbst, das hinter dem Ohr unter der Haut liegt. Der Audioprozessor wird entweder am Ohr oder direkt am Kopf getragen. Er nimmt Schall über ein Mikrofon auf und wandelt ihn in elektrische Impulse um. Eine Spule sendet diese an das Implantat unter der Haut.
Die Mitarbeiterinnen der Logopädie am Kepler Universitätsklinikum begleiten die Patientinnen und Patienten bereits in der präoperativen Phase. Ausführliche audiologische Diagnostik mittels subjektiver und objektiver Testverfahren kommen zum Einsatz, um die Art und den Grad der Hörstörung zu bestimmen. Die Logopädinnen klären über die Art bzw. Funktionen des für die Patientinnen und Patienten geeigneten Audioprozessors auf – in der Zeit direkt nach der Operation, in der Heilungsphase, in der Erstanpassung sowie bei den weiteren Anpassungen (sogenannte Fittings). Ebenso wird ein Hörtraining durchgeführt.
Postoperativ und nach der Heilungsphase beginnt dann die "Hörreise". „Regelmäßige Fitting-Termine und Überprüfungen gehören zur Behandlung, Übungsanleitungen für zuhause werden bereitgestellt, um neue Höreindrücke (vorerst fremder Klang durch den elektronischen Ersatz der Haarzellen) mit den bekannten Höreindrücken verknüpfen zu können. Ein selbstständiges Hörtraining wird individuell für jede einzelne Patientin bzw. jeden einzelnen Patienten erstellt“, erklärt Sabrina Ackerl, Logopädin an der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum.