Nicht alle Mütter können stillen oder haben genug eigene Muttermilch. Andere Mütter wiederum haben zu viel Muttermilch, die sie bisher abpumpen und verwerfen mussten. Gesunde Mütter, deren Frühgeborene stationär am Med Campus IV. des Kepler Universitätsklinikums aufgenommen sind, können seit September freiwillig ihre überschüssige Muttermilch spenden und diese anderen stationär aufgenommenen Babys zur Verfügung stellen. Um die Wichtigkeit der Versorgung von Frühchen zu betonen, findet weltweit am 17. November der Tag des Frühchens statt.
Muttermilch ist die optimale und beste Ernährung für Neugeborene. Sie deckt den Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit, enthält wichtige Mineralstoffe, Vitamine und sorgt für ein gesundes Großwerden der Babys. Da Neugeborene noch kein reifes Immunsystem haben, sind die Abwehrstoffe in der Muttermilch ein wesentlicher Bestandteil zur Stärkung der Körperabwehr und der Reifung der Darmwand. Viele medizinische Studien belegen daher, dass die biologisch-natürliche Milch die optimale Ernährung für Neugeborene ist und diese besser vertragen wird als künstliche Ersatznahrung. Die Weltgesundheitsorganisation rät, Säuglinge mindestens vier Monate ausschließlich zu stillen. Diese Prägung wirkt sich ein Leben lang positiv auf die Entwicklung des Kindes aus. Muttermilch ist die natürliche Rundumversorgung für das Baby.
Wenn Babys von ihren Müttern nicht gestillt werden können, ist die pasteurisierte Spendermilch aus einer Muttermilchbank die beste Alternative. Sie gibt Eltern die Sicherheit, dass ihr Baby den bestmöglichen Ersatz bekommt.
Seit den frühen 1980er-Jahren führen viele Krankenhäuser weltweit keine Muttermilchbanken mehr, da deren Einrichtungen sehr umfassendes Wissen erfordert und strenge Qualitätsauflagen gelten. Dieser Trend beginnt sich nun umzukehren. Renommierte Entbindungskliniken und neonatologische Intensivstationen beginnen mit der Wiedereinführung von Milchbanken. Auch das Kepler Universitätsklinikum mit der größten Geburtsklinik Österreichs (mehr als 3800 Geburten jährlich, an der Klinik für Neonatologie werden ca. 1000 Babys pro Jahr betreut, gut 2/3 davon sind Frühgeborene, d.h. geboren vor der 37. Schwangerschaftswoche) bietet ab sofort eine eigene Muttermilchbank unter dem Motto „Gut betreut von Anfang an“.
Zur Etablierung einer Muttermilchbank am Kepler Universitätsklinikum wurde ein multiprofessionelles Team, bestehend aus Ärztinnen bzw. Ärzten, Pflege, Hygiene, Hebammen, Stillberatung, Labor, MTF sowie Technikern gebildet, das die notwendigen Rahmenbedingungen ausgearbeitet hat. Die Indikationen, Prozessabläufe und Qualitäts- und Hygienemaßnahmen wurden ausgehend von der Leitlinie für Errichtung und Betrieb einer Humanmilchbank des Bundesministeriums für Frauen, Familien und Jugend und vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz genauestens geprüft und festgelegt. Der Pilotbetrieb für die Muttermilchbank am Kepler Universitätsklinikum startete mit 17. September 2018.
Mütter, deren Frühgeborene an der Neonatologie des Med Campus IV. stationär sind und die bereits überschüssig viel Muttermilch angespart haben, kommen als Spenderinnen in Frage. Nach eingehender Untersuchung der Frauen und deren Milch und nach entsprechender Einschulung können sie unter strengen Auflagen Muttermilch spenden. Diese Spendermilch wird in der Muttermilchbank nach genauen Kriterien kontrolliert, durch Pasteurisierung keimfrei gemacht und für eine spätere Verwendung tiefgefroren. Benötigt ein Frühgeborenes Spendermilch, so wird diese nach ärztlicher Verordnung und nach Zustimmung der Mutter des Babys verabreicht. Die Spenderfrau, der Zeitpunkt der Gewinnung und alle Laborbefunde werden genau dokumentiert und sind damit über Jahre hinweg exakt nachvollziehbar. Sowohl die Spende als auch der Bezug der Muttermilch sind freiwillig und unentgeltlich.
Muttermilch darf nur nach ärztlicher Verordnung gespendet bzw. bezogen werden. Mit Spendermilch versorgt werden können demnach vorerst frühgeborene Kinder, für die wegen ausbleibendem Milcheinschuss bei der Mutter, Intoxikation der Muttermilch (z.B. durch Medikamenteneinnahme der Mutter), Krankheit (z.B. HIV-Erkrankung) oder Tod der Mutter unzureichend oder keine eigene Muttermilch zu Verfügung steht.
Eine Muttermilchspenderin der ersten Stunde schildert ihre Erfahrungen: „Aufgrund der Frühgeburt unserer Tochter war es für mich während der fürsorglichen Betreuung in der neonatologischen Intensivstation eine tolle Möglichkeit, ganz unkompliziert mit der Milchspende selbst einen kleinen Beitrag für andere zu leisten. Mit dem Wissen, dass Muttermilch die beste „Medizin“ für Babys – speziell Frühchen – ist, bin ich froh, dass diese nun auch an andere kleine Kämpferherzen weiter gegeben werden kann. Ich finde es bemerkenswert, dass durch das Engagement beherzter Ärztinnen und Ärzte jetzt auch in Linz eine Milchbank entstanden ist.“
Die Mutter des ersten Empfängerkindes bestätigt: „Obwohl ich mich von Anfang an bemüht habe, hatte ich nicht genug eigene Milch für mein Baby. Deshalb bin ich sehr froh, dass es hier die Möglichkeit gibt, für mein Frühgeborenes Spendermilch zu erhalten. Ich werde mich weiterhin bemühen, noch mehr eigene Milch zu bekommen. Bis dahin bekommt mein Kind hier die beste Ersatznahrung.“
Die Frühgeburtenrate in Europa beträgt ca. 8 bis 10 Prozent und hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert. Somit ist jedes zehnte Kind eine Frühgeburt. Babys, die vor der Schwangerschaftswoche 37 geboren werden, gelten als zu früh geboren. Eine normale Schwangerschaft sollte 40 Wochen dauern. Ab der 24. Schwangerschaftswoche befinden sich die Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit.
Als Gründe für Frühgeburten sind vor allem anzuführen: Infektionen, Mehrlingsschwangerschaften, genetische Erkrankungen, angeborene Malformationen und mütterliche Erkrankungen wie Gestosen oder bei Suchtmittelgebrauch.
Das Team der neonatologischen Intensivstation des Kepler Universitätsklinikums ist auf die Versorgung von Extremfrühgeburten ab der 24. Schwangerschaftswoche spezialisiert und arbeitet interdisziplinär sowie multiprofessionell zusammen. Ein neonatologisch geschultes Pflegeteam wendet Basale Stimulation und entwicklungsfördernde Maßnahmen an. Therapeutisch und unterstützend wirken mit: Physio-/Ergotherapie, Logopädie, Psychologie, Seelsorge, Musiktherapie.
Von mehreren Mitarbeiterinnen aus der Pflege der Klinik für Neonatologie wurde der Elternverein „NewBe“ gegründet. Ziel ist die Vernetzung der Frühcheneltern, die Unterstützung der Frühchenstationen in OÖ sowie die Aufklärung zum Thema „Frühgeburt“. Details unter: www.newbe-ooe.at
Die kaufmännische Direktorin GFin Mag.a Dr.in Elgin Drda und der Ärztlicher Direktor GF Dr. Heinz Brock sind von den Vorteilen einer Muttermilchbank überzeugt: „Die Universitätsklinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie sowie die Klinik für Neonatologie am Kepler Universitätsklinikum sind über die Landesgrenzen hinaus hoch angesehen. Wir unterstützen die innovativen und medizinischen Entwicklungen unseres Hauses und bedanken uns bei all jenen, die bei der Errichtung der Muttermilchbank mitgeholfen haben.“
Simone Pollhammer, MBA, Pflegedirektorin am Kepler Universitätsklinikum, ergänzt: „Der Umgang mit unseren Kindern offenbart uns unsere Zukunft. Es ist mir persönlich sehr wichtig, dass wir alles Mögliche tun, um Frühgeborenen und Neugeborenen einen optimalen Start ins Leben zu ermöglichen. Die Gründung einer Muttermilchbank war mir ein großes Anliegen und ich freue mich sehr über die Umsetzung.“
Die Leiterin der Klinik für Neonatologie und der Humanmilchbank Prim.a Dr.in Gabriele Wiesinger-Eidenberger betont: „Die Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde empfiehlt ausschließliches Stillen bis ins sechste Lebensmonat. Viele medizinische Studien belegen, dass Muttermilch die beste Ernährung für die Entwicklung von Neugeborenen ist. Bei viel zu früh geborenen Babys oder bei kranken Neugeborenen ist Muttermilch für deren positive Entwicklung besonders förderlich.“
Univ.-Prof. Dr. Peter Oppelt, MBA, Universitätsklinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie unterstützt diese Initiative sehr: „Es ist wichtig für uns, allen Kindern einen optimalen Start ins Leben zukommen zu lassen. Da die Ernährung – vor allem in den ersten Tagen – eine wichtige Säule darstellt, können wir Frühgeborene mit der Muttermilchbank noch individueller und schonender unterstützen.“
OA Dr. Oliver Wagner von der Klinik für Neonatologie war für die Umsetzung dieses Projektes verantwortlich und freut sich: „Besonders für Babys, die viel zu früh das Licht der Welt erblickt haben, ist es medizinisch bewiesen, dass Muttermilch das Risiko vieler Erkrankungen – unter anderem des Darms oder der Netzhaut – deutlich vermindert. Ebenso fördert sie die Entwicklung des Gehirns. Probleme mit Blutdruck, Adipositas, Diabetes sowie Allergien im späteren Leben werden minimiert.“
OA Dr. Richard Mayer, IBCLC, Universitätsklinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie, mitverantwortlich für die Umsetzung: „Wir freuen uns, dass es nun die Möglichkeit zur Milchspende gibt und wir durch IBCLC-zertifiziertes Personal eine fachlich hervorragende Betreuung der stillenden Mütter sicherstellen können. Muttermilch ist die beste Ernährungsform für Neugeborene.“
v.l.n.r.: GF Dr. Heinz Brock, MBA, MPH, MAS, OA Dr. Richard Mayer, Pflegedirektorin Simone Pollhammer, MBA, OA Dr. Oliver Wagner, Prim.a Dr.in Gabriele Wiesinger-Eidenberger, GFin Mag.a Dr.in Elgin Drda, Univ.-Prof. Dr. Peter Oppelt, MBA bei der Pressekonferenz anlässlich Oberösterreichs erster Muttermilchbank