Eine neue internationale Studie unter Beteiligung der Universitätsklinik für Neurologie des Kepler Universitätsklinikums hat wichtige Erkenntnisse über den optimalen Zeitpunkt für den Beginn der blutverdünnenden Therapie nach einem Schlaganfall bei Patientinnen bzw. Patienten mit Vorhofflimmern geliefert. Die Ergebnisse dieser ELAN-Studie (Early versus late initiation of direct oral anticoagulants in post-ischemic stroke patients with atrial fibrillation) wurden im renommierten Fachjournal "New England Journal of Medicine" veröffentlicht.
Etwa 80% aller Schlaganfälle werden durch den Verschluss einer Arterie des Gehirns verursacht. Von diesen werden bis zu 20% durch ein Blutgerinnsel hervorgerufen, die sich bei Menschen mit Herzrhythmusstörungen (wie zum Beispiel Vorhofflimmern) im Herzen bilden. Um der Entstehung solcher Blutgerinnsel und daraus folgender Schlaganfälle vorzubeugen, werden Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern mit blutverdünnenden, sogenannten direkten oralen Antikoagulantien (DOAC), behandelt. „Bisher lagen keine repräsentativen Studiendaten vor, die den geeigneten Zeitpunkt für den Beginn einer oralen Antikoagulation nach einem ischämischen Schlaganfall festlegten, um das Risiko eines erneuten Schlaganfalls zu reduzieren, gleichzeitig aber ein mögliches Blutungsrisiko unter einer blutverdünnenden Therapie so gering wie möglich zu halten“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Raimund Helbok, Lehrstuhl für Neurologie an der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz und Vorstand der Kepler Universitätsklinik für Neurologie in Linz, die mit 161 Betten eine der größten neurologischen Abteilungen Europas ist.
Die Entscheidung, wann die Therapie beginnen soll, ist eine Herausforderung, da in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall ein erhöhtes zerebrales Blutungsrisiko besteht. Andererseits könnte der mögliche Nutzen der Vorbeugung eines weiteren Schlaganfalls gerade in diesen ersten Tagen am höchsten sein. Bisher haben internationale Behandlungsrichtlinien empfohlen, je nach Schwere des Schlaganfalls einige Tage bis zwei Wochen mit dem Beginn der DOAC-Behandlung zu warten.
In der aktuellen ELAN-Studie (Early versus Late initiation of direct oral Anticoagulants in post-ischemic stroke patients with atrial fibrillatioN) unter der Leitung von Prof. Urs Fischer vom Universitätsspital Bern wurde dieses Problem nun spezifisch untersucht. „Eine solche komplexe, klinische Fragestellung kann nur durch eine multizentrische, randomisierte Studie im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit beantwortet werden“, betont OA Dr. Milan Vosko, Leiter der Stroke Unit der Universitätsklinik für Neurologie, der diese Kooperation etabliert hat.
An der Studie nahmen zwischen 2017 und 2022 insgesamt 2.013 Personen mit einem akuten ischämischen Schlaganfall und Vorhofflimmern aus 103 Stroke Units in Europa, im Nahen Osten und Asien teil. Ein früher Beginn der Antikoagulationstherapie war definiert als „innerhalb von 48 Stunden nach einem leichten/mittelschweren Schlaganfall oder am Tag 6-7 nach einem schweren Schlaganfall“. Ein später Beginn war definiert als „Tag 3-4 nach einem leichten Schlaganfall, Tag 6-7 nach einem mittelschweren Schlaganfall oder Tag 12-14 nach einem schweren Schlaganfall“.
Die Studie zeigt, dass eine frühere Antikoagulation, verglichen mit einem späteren Beginn, sicher ist und das Risiko eines erneuten Schlaganfalls reduzieren kann, ohne dabei das Komplikationsrisiko (zerebrale Blutung) zu erhöhen. Patientinnen und Patienten mit frühzeitig begonnener Antikoagulationstherapie haben seltener einen erneuten Schlaganfall, symptomatische Hirnblutungen, extrakranielle Blutungen, systemische Embolien oder vaskuläre Todesfälle innerhalb von 30 Tagen erlitten. Damit erhärtet sich die Evidenz, dass ein früher Behandlungsbeginn mit einem DOAK sinnvoll sein kann, ohne das Risiko von Gehirnblutungen zu erhöhen.
Die Studienergebnisse wurden am 25. Mai 2023 in der international renommierten Fachzeitschrift “New England Journal of Medicine“ veröffentlicht. Federführend für das das Kepler Universitätsklinikum ist die Co-Autorin der Studie OÄ Dr.in Caterina Kulyk, die als Oberärztin der Stroke Unit und Leiterin des Neuroultraschall-Labors am Linzer MED Campus tätig ist.