Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in westlichen Ländern. In Österreich trifft er jährlich etwa 25.000 Personen[1], allein in Oberösterreich ca. 4500. Etwa 15 Prozent der Betroffenen versterben innerhalb der ersten drei Monate; ein Viertel der PatientInnen überlebt mit schwerer Behinderung[2]. Insgesamt werden am Kepler Universitätsklinikum an den Standorten Med Campus III. als auch am Neuromed Campus mit 2 Stroke Units ca. 1200 SchlaganfallpatientInnen pro Jahr behandelt, davon über 200 PatientInnen am Institut für Neuroradiologie mittels interventioneller Thrombektomie.
„Die häufigsten Symptome sind eine plötzlich auftretende halbseitige Schwäche und/oder Gefühlsstörung, Sprach-,Seh-,Gleichgewichts- oder Bewusstseinsstörung“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Tim von Oertzen, Vorstand der Abteilung für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum.
Ca. 80-85 Prozent der Schlaganfälle sind durch eine Durchblutungsstörung, der Rest durch eine Blutung im Gehirn bedingt. „Jeder Schlaganfall ist ein Notfall: durch rasches Handeln lassen sich Folgeerscheinungen oft mindern oder gänzlich vermeiden“, betont Priv.-Doz.in Dr.in Judith Wagner, Leiterin der Stroke Unit an der Abteilung für Neurologie 1.
Die Diagnose und Behandlung erfolgen multidisziplinär. In der Frühphase kann bei einem Teil der PatientInnen die „systemische Thrombolyse“, eine akute Blutverdünnung zur Wiederherstellung des Blutflusses durchgeführt werden.
Sind große Hirngefäße verschlossen, ist die bestmögliche Therapie eine rasche Entfernung des ursächlichen Blutgerinnsels mittels eines Katheters durch erfahrene interventionelle NeuroradiologInnen. Am Neuromed Campus werden pro Jahr knapp 600 SchlaganfallpatientInnen behandelt, davon erhält etwa ein Drittel diese sogenannte „Thrombektomie“. Zum Einsatz kommen dabei hochentwickelte, miniaturisierte Katheter-Vorrichtungen zum Absaugen oder Einfangen („Mikro-Stentretriever“) der Blutgerinnsel, welche über eine Arterie in der Leiste oder am Arm minimal-invasiv in die Hirngefäße eingeführt werden.
„Am Institut für Neuroradiologie besteht eine langjährige Erfahrung mit den unterschiedlichsten Techniken der Thrombektomie und es ist uns gelungen, für das Land Oberösterreich eines der größten und hocheffizienten Notfall-Versorgungsnetzwerke aufzubauen, damit dieser spezialisierte Eingriff auch SchlaganfallpatientInnen aus entlegeneren Regionen zu Gute kommen kann“, erklärt Dr. Johannes Trenkler, ehemaliger Leiter des Instituts für Neuroradiologie am Kepler Universitätsklinikum.
Die Ergebnisse weltweit im Jahr 2015 durchgeführter Studien zur Thrombektomie belegen sehr eindrücklich, wie viele PatientInnen mit sehr schweren Schlaganfällen von dieser Therapie profitieren und vor einer erheblichen Behinderung bewahrt werden können[3].
Prim. Univ.-Prof. Dr. Stephan Meckel, Vorstand des Instituts für Neuroradiologie am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums, führt hierzu aus, dass „bei etwa 40 Prozent der PatientInnen nach einer Thrombektomie-Behandlung eine entscheidende Verbesserung der neurologischen Behinderung möglich wird, und bei 25 Prozent der PatientInnen im Anschluss keine Unterstützung mehr im täglichen Alltag erforderlich ist. Dies ist angesichts der Schwere der Erkrankung ein immenser Erfolg für den individuellen PatientInnen aber auch für das Gesundheitssystem als Ganzes.“
Zuletzt zeigten weitere internationale Studien, dass dieser Erfolg der Thrombektomie nicht nur in der Frühphase des Schlaganfalls (bis ca. sechs Stunden nach Beginn der Symptome) erzielt werden kann. Bei einzelnen ausgewählten PatientInnen mit besonders starker Kollateralblut-versorgung des Gehirns werden diese Resultate sogar noch bis zu 24 Stunden nach Einsetzen der Symptome beziehungsweise, wenn die Symptome beim Erwachen aus dem Schlaf (wake-up) heraus erstmals auftreten sind, erreicht[4][5].
„In solchen Fällen ist allerdings eine spezielle bildgebende Notfallabklärung mit einer Kontrastmittel-Blutflussmessung des Gehirns mittels Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) notwendig“, erläutert Prim. Univ.-Prof. Dr. Stephan Meckel.
„Die rasanten jüngsten Entwicklungen im Bereich der minimal-invasiven Thrombektomie mit der immensen Besserung der Prognose für unsere SchlaganfallpatientInnen werden auch in Zukunft nicht Halt machen. Wir müssen noch weitere Fortschritte erzielen, insbesondere was Zeit-effiziente Versorgungsinfrastrukturen angeht, um individuelle Schlaganfallpatientinnen und -patienten aus jedem Winkel des Landes möglichst rasch in ein hochspezialisiertes Schlaganfallzentrum wie am Kepler Universitätsklinikum in Linz zu überführen. Hierbei erwarten wir eine große Unterstützung durch die bahnbrechenden Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz, welche uns helfen, die komplexen neuroradiologischen Daten aus Bildern des Gehirns und der Blutgefäße in Sekundenschnelle auszuwerten, was eine Diagnosestellung und Organisation der Therapie noch weiter beschleunigen könnte“, berichtet Dr. Johannes Trenkler.
[1] https://www.ögsf.at/stroke-units/zahlen-und-fakten/
[2] Diener HC, Hacke W, Busch E: Zerebrale Ischämie: Epidemiologie und Verlauf. In: Brandt Th, Dichgans J, Diener HC (Hsg): Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. Stuttgart: Kohlammer 2003. 347
[3] Goyal M, et al, for HERMES collaborators. Endovascular thrombectomy after large-vessel ischaemic stroke: a meta-analysis of individual patient data from five randomised trials. Lancet. 2016 Apr 23;387(10029):1723-31
[4] Albers GW,et al.; DEFUSE 3 Investigators. Thrombectomy for Stroke at 6 to 16 Hours with Selection by Perfusion Imaging. N Engl J Med. 2018 Feb 22;378(8):708-718. doi: 10.1056/NEJMoa1713973
[5] Nogueira RG, et al.; DAWN Trial Investigators. Thrombectomy 6 to 24 Hours after Stroke with a Mismatch between Deficit and Infarct. N Engl J Med. 2018 Jan 4;378(1):11-21. doi: 10.1056/NEJMoa1706442