Erkrankungen der Schilddrüse verlaufen häufig unbemerkt, obwohl feststeht, dass Schilddrüsenfunktionsstörungen die zweithäufigste endokrinologische Erkrankung bei Frauen im reproduktiven Alter sind. Unter- oder Überfunktion der Schilddrüse können eine häufige Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch sein. Diese Schilddrüsenfunktionsstörungen können Einfluss auf den weiblichen Zyklus nehmen, mit einem Fehlen der Ovulation einhergehen und somit auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit Einfluss nehmen. Auch in der Schwangerschaft wird ein Zusammenhang zwischen Fehlgeburten und Schilddrüsenfunktionsstörungen beschrieben.
Ohne ausreichende Schilddrüsenhormone ist eine normale kindliche Entwicklung nicht möglich.
In den ersten Schwangerschaftswochen ist das Kind sogar ganz auf die Hormone der Mutter angewiesen. Ihre Schilddrüse muss bis zu 50 Prozent mehr Hormone bilden, wofür sie ausreichend mit Jod versorgt werden muss.
Dennoch ist eine Unterversorgung des Kindes im Bauch der Mutter möglich. Die Ursache ist dann häufig die Thyreoiditis, eine durch das Immunsystem ausgelöste Entzündung der Schilddrüse. Es bildet sogenannte Autoantikörper, die Zellen der Schilddrüse angreifen und zerstören. Die Frauen spüren in der Regel nichts, da die Schilddrüsenunterfunktion meist milde verläuft und sich über Jahre entwickeln kann. Für die Versorgung der Mutter sind genügend Hormone vorhanden. Bei einer Schwangerschaft ist die Drüse dann aber rasch überfordert. Frauen mit einer Schilddrüsenunterfunktion - insbesondere im Zusammenhang mit einer Autoimmunthyreoiditis -haben ein deutlich erhöhtes Fehlgeburtsrisiko.
„Bei nicht erfülltem Kinderwunsch bzw. bei Fehlgeburtstendenzen sollte deshalb immer untersucht werden, ob eine Autoimmunthyreoiditis oder eine andere Störung der Schilddrüsenfunktion vorliegt. Fallen die Tests positiv aus, kann eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen eine Schwangerschaft unterstützen“, sagt Doz. Dr. Omar Shebl, Leiter des Kinderwunsch Zentrums am Kepler Universitätsklinikum.
Aber auch eine Überproduktion von Schilddrüsenhormonen kann eine Schwangerschaft verhindern. Hier muss die Hormonproduktion gebremst werden, auch wenn die Frau bereits schwanger ist. Problematisch kann dabei im späteren Verlauf einer Schwangerschaft sein, wenn die stimulierenden Antikörper die Plazenta überwinden und die Schilddrüse des ungeborenen Kindes antreiben. Eine engmaschige Kontrolle in einem Zentrum ist dann besonders wichtig. In den meisten Fällen harmlos dagegen ist eine kurzzeitige vorübergehende Schilddrüsenüberfunktion in der Frühschwangerschaft bedingt durch eine Überproduktion eines bestimmten Schwangerschaftshormons. Auslöser dafür ist dann das Hormon Humanes Choriongonadotropin (HCG), das vom Mutterkuchen, der Plazenta, gebildet wird. Häufiger wird dieses Phänomen bei Frauen beobachtet, welche in der Frühschwangerschaft mit Übelkeit und Erbrechen zu leiden haben. Im Verlauf der Schwangerschaft sinkt die Hormonproduktion meistens wieder. Eine Unterversorgung des Kindes muss unbedingt vermieden werden. Regelmäßige Hormonchecks der Mutter sind Pflicht. Geht es der Mutter gut, ist auch das Kind gesund, so der Experte.
Schilddrüsen-Antikörper (SD-AK) (Tpo-Ab u TG-Ab) finden sich bei Frauen im reproduktiven Alter mit einer Prävalenz von 8-14%, bei Frauen mit unerfüllten Kinderwunsch bei bis zu 20 % der Frauen.
Das Vorhandensein von SD-AK ist aber nicht automatisch mit einem schlechteren Outcome in der Schwangerschaft verbunden und ist immer im Zusammenhang mit der Schilddrüsenfunktion zu sehen. Es gibt jedoch Daten, die einen negativen Einfluss von SD-AK auch bei normaler SD-Funktion sehen. Zusätzlich kann sich die Situation in der Schwangerschaft verändern, sodass gerade diese Gruppe von einer kontinuierlichen Betreuung an einem Zentrum profitieren kann. Auch bei Männern kann eine Schilddrüsenfunktionsstörung (Unter- und Überfunktion) zu Einschränkungen der Fertilität, wie Erektionsstörungen oder Einfluss auf die Qualität der Spermien nehmen.
Das Kinderwunsch Zentrum am Kepler Universitätsklinikum ist zum Vorteil der Patientinnen eng an das Schilddrüsen Zentrum des Kepler Universitätsklinikums angebunden. Patientinnen, die im Kinderwunsch Zentrum vorstellig werden, werden zur genauen Abklärung der Schilddrüsenfunktion an das Institut für Nuklearmedizin und Endokrinologie überwiesen.
„Neben einer Halsultraschalluntersuchung erfolgt eine Blutabnahme mit genauerer Bestimmung der Laborparameter sowie der SD-AK im Blut. Abhängig von den Blutwerten wird frühzeitig mit einem Hormonersatz in Form einer täglichen Tabletteneinnahme begonnen. Auch die Ultraschalluntersuchung lässt eine Autoimmunerkrankung in manchen Fällen bereits frühzeitig erahnen. Eine Schilddrüsenhormontherapie ist weder vor, während, noch nach einer Schwangerschaft für das Kind gefährlich. Ganz im Gegenteil - diese Behandlung kann helfen, dass eine Schwangerschaft eintritt“, sagt Prim. Prof. Dr. Michael Gabriel, Leiter des Schilddrüsen Zentrums am Kepler Universitätsklinikum.
Und nicht zuletzt können auch nach der Geburt Schilddrüsenfunktionsstörungen auftreten. Bis zu acht Prozent der Frauen können eine sog. Postpartum-Thyreoiditis erleiden. Die Entzündung der Schilddrüse führt entweder zu einer Überproduktion oder zu einem Hormonmangel – oder zu einem Wechsel beider Funktionsstörungen. Frauen mit Schilddrüsenproblemen sollten nach der Geburt weiterhin Kontrollen durchführen lassen, da gerade in Phasen einer gravierenden hormonellen Umstellung Schilddrüsenerkrankungen besonders häufig zutage treten.